Steigende Material-, Lohn- und Finanzierungskosten sowie immer mehr Vorschriften und Normen setzen den Wohnungsbau unter Druck. Schleswig-Holstein hat bereits 2023 mit einem neuen Regelstandard für den geförderten Wohnungsbau reagiert. Anfang 2025 stellte Hamburg mit dem »Hamburg-Standard« ein weitergehendes Konzept vor, das auch die Prozesse und Genehmigungszeiten in den Blick nimmt. Hierüber spricht Jan Bernd Leffers, Leiter des Bereichs Projekte und strategische Bestandsentwicklung beim BVE.
Warum müssen wir die Wohnungsbaustandards hinterfragen?
Jan Bernd Leffers: Wir erleben momentan eine Vollbremsung im Wohnungsbau. Die Kosten sind durch die Decke gegangen – nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs und steigender Materialpreise, sondern auch durch die Zinsentwicklung. Zudem sind die Anforderungen von allen Seiten an den Bau über Jahre hinweg immer weiter gestiegen: höhere energetische Vorgaben, wachsende städtebauliche Anforderungen, striktere Schallschutzrichtlinien. Das hat dazu geführt, dass Neubauten in vielen Fällen schlicht nicht mehr wirtschaftlich realisierbar sind. In jeder Krise liegt aber auch eine Chance. Schleswig-Holstein hat frühzeitig reagiert und sich gefragt: Müssen diese hohen Standards eigentlich sein? Oder reicht auch ein reduzierter, aber funktionaler Ansatz?
In jeder Krise liegt auch eine Chance
Das Ergebnis ist der neue Regelstandard für den geförderten Wohnungsbau. Was wird dadurch anders?
Jan Bernd Leffers: Der Regelstandard wurde von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) entwickelt und definiert klare Vorgaben für den Wohnungsbau. Das Ziel ist es, durch vereinfachte Bauweisen, weniger Technik und pragmatische Standards die Kosten zu senken, ohne die Wohnqualität zu beeinträchtigen. Ein Beispiel hierfür ist der Verzicht auf Keller, die traditionell teuer sind. Stattdessen kann es Abstellräume im Dachgeschoss oder außerhalb des Gebäudes geben. Auch Tiefgaragen verteuern den Bau stark. Eine Alternative sind Außenstellplätze oder ganz andere Mobilitätskonzepte.
Der neue Standard nimmt auch den Schallschutz in den Blick: Hier wird zukünftig wieder der Mindeststandard angewendet, was nicht nur die Baukosten senkt, sondern auch gut für die CO2-Bilanz ist. Weniger dicke Wände bedeuten weniger Materialeinsatz – und damit einen geringeren Verbrauch grauer Energie. Es gibt also keine Abstriche beim Klimaschutz. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass die Anpassungen gut funktionieren und weiterhin eine sehr hohe Wohnqualität ermöglichen.
Inwiefern betrifft das den BVE?
Jan Bernd Leffers: Wir haben aktuell ein Projekt in Norderstedt, im Neubaugebiet »Grüne Heyde«. Dieses befindet sich zwar noch in der Planungsphase, aber um auch künftig bezahlbare Mieten realisieren zu können, werden wir nach dem neuen Standard bauen. Das ist für uns ein Pilotprojekt, bei dem wir die Praxistauglichkeit des Regelstandards überprüfen können. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind effiziente Grundrisse – denn je besser und sparsamer die Flächen organisiert sind, desto günstiger ist der Bau. Zudem überlegen wir, serielle oder modulare Bauweisen zu realisieren, um die Bauzeit zu verkürzen. Auch die frühe Einbindung von Bauunternehmen ist eine wichtige Stellschraube, um deren wirtschaftliche Expertise in die Planung einfließen zu lassen und so zusätzliche Ersparnisse zu erzielen. Unser Ziel ist es, mit diesen Maßnahmen die Baukosten auf etwa 3.000 Euro pro Quadratmeter zu senken.
Hamburg hat mit dem »Hamburg-Standard« eine eigene Lösung vorgestellt. Ist er vergleichbar mit dem schleswig-holsteinischen Regelstandard?
Jan Bernd Leffers: Ja und nein. Einerseits geht es auch in Hamburg darum, Normen und Anforderungen abzuspecken. Andererseits geht der »Hamburg-Standard« noch einen Schritt weiter. Er umfasst nicht nur technische Vorgaben, sondern den gesamten Bauprozess – von der Planung über die Genehmigung bis zur Umsetzung. Es geht darum, bei allen Beteiligten eine neue Herangehensweise zu etablieren und den Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozess effizienter zu organisieren. Das Besondere in Hamburg ist der enge und offene Austausch zwischen Behörden, Wohnungsunternehmen und Fachleuten. Hier wird gemeinsam nach Lösungen gesucht – ein Ansatz, der zeigt, dass es mit dem richtigen Willen möglich sein könnte, Wohnungsbau wieder bezahlbar zu machen. Für den BVE sehen wir darin großes Potenzial.