23. Januar 2025

Finke geht zum 40. Mal durchs Quartier

stage
23. Januar 2025

Finke geht durchs Quartier… 

…und steigt mit Musik im Ohr und einem Lyricfailure aus dem Bus aus: Losing my religion von REM aus dem Jahr 1991. „The hate of the century“ höre ich immer wieder. Eigentlich schon seit Jahrzehnten, das ist textlich aber völlig falsch, inhaltlich leider immer wieder Teil der Wahrheit. Heute werfe ich daher einen Blick auf einen Nachbarn, der irgendwie selbstverständlich da ist, trotz baulicher Größe häufig im Alltag übersehen wird. Immer Teil eines Quartiers ist und letztendlich private Angelegenheit bleibt: Kirchen, religiöse Zentren, Tempel, Synagogen, wie Sie sie auch immer bezeichnen wollen. Ich mache es mir einfach und rede von Kirche – immer mitten im Leben, immer auch unsere Nachbarin.

Los geht es in Lurup: Hier steht eine bemerkenswerte katholische Kirche im Architekturstil des Brutalismus. Mutig so zu bauen, eine Überraschung an diesem Standort, vor allem, wenn man aus unserem BVE-Nachbarquartier in der Randow- und Ueckerstraße zu Fuß dorthin geht. Es sind nur 600 Meter und man ist in einer anderen Welt. Viel Beton, gewagte Formen, klare Architektur. Ich bin wirklich begeistert und genieße die besondere Atmosphäre des Lichts im Kircheninnenraum.

Mit dem Bus geht es Richtung Altona. Nur wenige Gehsekunden von unseren schönen Wohnanlagen in der Suttner- und Holstenstraße steht die evangelische Christuskirche Altona. Ein schönes stadtbildprägendes Gebäude mit einer aktiven Gemeinde. Man engagiert sich im Quartier, bietet Kinderkirche und Online-Gottesdienste, in der Kirche finden häufig musikalische Angebote statt.

Ich laufe scharf entlang der Grenze zwischen Altona und Eimsbüttel und treffe auf die Ankerkirche der Pfingstgemeinde. Ein überraschend schlichtes Haus, Kirche muss also nicht immer hoch gebaut, raumgreifend und alles überwältigend sein. Nebenan stehen unsere Häuser in der Vereinsstraße. Ein paar weitere Gehminuten entfernt finde ich das Buddhismus Zentrum Hamburg der Karma-Kagyü-Linie vor. Es ist eines der größten buddhistischen Zentren Deutschlands und wird ehrenamtlich betrieben. Hätte ich nicht erwartet, schon gar nicht, dass man dort im Café so freundlich aufgenommen und mit feinem Gebäck versorgt wird. Die kurze Pause, das freundliche Gespräch genieße ich richtig.

Jetzt führt mein Weg mich nicht direkt zum Michel, der Hauptkirche Hamburgs und einem echten Wahrzeichen unserer Stadt, sondern zuerst einmal an die höchstinteressante Palmaille. Dieser Prachtmeile widme ich mich aber später auf einem anderen Quartiersspaziergang. In Sichtweite unserer Häuser am Fischmarkt und der Großen Elbstraße findet sich die Evangelisch-Reformierte Kirche in Hamburg in einem überraschenden Architekturstil. Viel Ziegel, viele horizontale Linien, die Kreuzung zur Schleestraße dominierend.

Ich schlendere an der St. Paulikirche und im Anschluss dann am Zeughausmarkt an der Anglican Church of St. Thomas Becket vorbei zum Michel. Was soll ich sagen, unsere in der Englischen Planke, der Böhmckenstraße, aber auch der Karpfanger Straße wohnenden Mitglieder sehen den Michel jeden Tag von ihren Wohnungen aus, hören das Glockengeläut und den Turmbläser, und sind vielleicht auch manchmal genervt von den vielen Touristen bzw. den mit laufender Klimaanlage wartende Bussen. Aber so ist es nun einmal, wenn man in derart prominenter Nachbarschaft lebt. Der Michel als sakrales Gebäude ist schon beeindruckend, der Turm mit seiner markanten Kuppel eine deutliche Ansage. Ich genieße die Fingerübungen des Organisten zu später Nachmittagsstunde, für mich beinahe ein exklusives Orgelkonzert. Meine App Shazam ist nicht in der Lage mir den Namen oder Komponisten der Stücke zu nennen, da ist es dann vorbei mit all der bedeutenden digitalen Technik des Alltags.

In Eimsbüttel treffe ich an der Bundesstraße auf die Synagoge der Hamburger jüdischen Gemeinde. Was kann man sagen, die schwere Bewachung spricht klare Worte. Auch acht Jahrzehnte nach der unsäglichen Nazizeit und dem Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden sind jüdische Mitbürger in Deutschland gefährdet, deren religiöse Gebäude vor Ignoranten, Idioten und Extremisten nicht gefeit. Was bitte soll das? Nichts dazu gelernt, vermutlich aber den Hummus und die Weine aus der Levante dennoch genießend. Es graust einen. Musik lauter im Ohr – Raining Blood, in der Version von Tori Amos, nach dem Original ist mir gerade nicht.

Mein Weg führt mich zum Schluss an die Außenalster. Hier gibt es weit und breit keine Häuser des BVE mehr. Schade, aber vielleicht auch nachvollziehbar, denn bei den Grundstücks- und Gebäudepreisen in Uhlenhorst haben wir als Genossenschaft kaum eine Chance preisangemessenen Wohnraum anzubieten. Hier steht seit den frühen sechziger Jahren die optisch sehr schöne und für das konservative Hamburg etwas exotische Imam-Ali-Moschee. Umstritten, man weiß um Einflussnahme aus dem Iran, und dieses Land ist bekannt dafür, Terrorismus zu fördern, seine Nachbarn zu manipulieren und als Staatsräson das Land Israel unbedingt ausgelöscht wissen zu wollen. Genauso verrückt, wie die Verrückten im unserem eigenen Land, die Probleme mit den jüdischen Bürgern, vermutlich aber in Wahrheit mit allen Andersdenkenden, haben. Die Moschee ist zurzeit geschlossen.

Religion ist also leider nicht immer gut, nicht immer Privatsache. All das merke ich deutlich auf meinem heutigen langen Weg. Gemeinden aber, egal welcher Konfession, können so viel Gutes bewirken, können NachbarInnen helfen, Seelsorge anbieten, Hilfe in der Not leisten, mitmenschlich sein, Einsamkeit zu vermeiden helfen. Klassische Quartiersarbeit eben. Das ist es was zählt und was uns zufrieden macht, Teil dieser Stadt zu sein. Hass und Ablehnung helfen niemanden weiter und führen zu gar nichts. Mit den Klängen von Leos Janaceks Orgelkonzert Adagio II im Ohr fahre ich versöhnt nach Hause. Das war er also, der Jubiläumsspaziergang zum zehnjährigen dieser Kolumne – danke für Ihre Treue!

Herzlich

Ihr Peter Finke