Menschen beim BVE - »Die ‚Otto Hahn‘ war 'ne Partykiste«
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der BVE aktuell 04/21
Statuen, massive Glocken und ein altes Steuerrad – wer den Garten von Jens Hormel betritt, findet sich in einer anderen Welt wieder. Der 74-jährige Hamburger ist seit rund 40 Jahren Mitglied des BVE, seit November 2020 wohnt er in einer Doppelhaushälfte in Groß Flottbek.
Im Garten und im Haus fallen direkt drei Dinge auf, die Hormel auszeichnen: eine Sammelleidenschaft, ein Hang zum Maritimen und viele massive Möbel aus Holz – manche davon sind besonders. So steht in seiner Garage ein Möbelstück mit drei Füßen, auf denen oben ein Fahrradsitz angebracht ist. »Das habe ich für eine Freundin gebaut, die Probleme mit den Knien hat. So kann sie halb sitzen, halb stehen, wenn sie zum Beispiel in der Küche arbeitet«, sagt Hormel.
»Ich muss immer bauen, ich habe immer Ideen«, erzählt der gelernte Holzbootbauer. Er ist aufgewachsen in Blankenese, seine Eltern wollten, dass er studiert. »Doch ich stand immer an der Elbe und habe auf die Schiffe geguckt. Das war alles, was mich interessierte. In der Schule habe ich Ärger gekriegt, weil ich nur Plattdeutsch sprach – wie alle meine Vorbilder.«
»Dem Bund bin ich auf See entkommen«
Hormel setzte sich gegen seine Eltern durch und absolvierte eine Lehre. Danach rief die Bundeswehr Ende der 1960er-Jahre zur Musterung: »Dem bin ich entkommen, indem ich zur See gefahren bin. Seeleute wurden nicht eingezogen.«
Seine erste Tour vermittelte ihm ein Cousin, der bei Hapag-Lloyd arbeitete. »Die Schiffe, die im Winter Richtung Karibik fuhren, waren in der Hand der Festangestellten. Da war ich Außenseiter«, erinnert sich Hormel.
»Aber: Ich konnte immer ganz gut Seemannsknoten machen. Einmal sah ich einen Matrosen, wie er etwas vertäute. Da rutschte mir raus: ‚Das habe ich auch schon mal schneller gesehen‘. Das fand der gar nicht gut – und bot mir eine Wette an. Die habe ich gewonnen, ab diesem Zeitpunkt wurde ich akzeptiert. So einfach geht das. Und da sagen die Leute, der Mensch sei ein intellektuelles Wesen.«
Dynamit, Waffen, Handgranaten – und eine Palette Wein
Besonders eingebrannt hat sich Hormel eine Fahrt: »Bei einer Fahrt war ein französischer Ladungsoffizier an Bord. Vertraglich waren ihm anderthalb Flaschen Wein pro Tag zugesichert worden, daher mussten wir auf das volle Schiff noch eine ganze Palette Wein laden.« Doch nicht nur der Wein sei eine außergewöhnliche Fracht gewesen: »Wir wussten gar nicht, was wir da geladen hatten: 60 bis 100 Tonnen Dynamit, dazu Waffen, Munition und Handgranaten. Wir waren praktisch eine gigantische schwimmende Bombe.«
Seine letzten großen Touren machte Hormel 1972 auf der »Otto Hahn«, dem einzigen deutschen Schiff mit Kernenergieantrieb. Weniger der Antrieb als die Crew blieb dem 74-Jährigen in Erinnerung: »Das war 'ne Partykiste! Wir hatten knapp einhundert Leute an Bord, davon rund 40 Frauen. Die haben Forschung und Wissenschaft gemacht. So ein Geschlechterverhältnis ist auf See selten – jeden Abend war Party. Drei Reisen habe ich da noch gemacht. Ich glaube, immer von Casablanca nach Rotterdam.«
Hormel hat viel zu erzählen. So kramt er eine Uhr hervor und erinnert sich: »Die habe ich von einem Kolumbianer geschenkt bekommen. Wir hatten seine Mannschaft vor der Küste aus ihrem Fischerboot gerettet. Das war ein Kahn! Der war löchrig und drinnen hatten die eine Pumpe, die das Wasser abgepumpt hat, damit das Ding nicht absäuft – und die war ausgefallen.«
Ein nachgebauter Kiel im Garten
Nach der »Otto Hahn« ging es für Hormel dann wieder als Bootsbauer an Land. 1979 baute er sein Meisterstück. »Ich habe einen identischen Kiel gebaut und als Erinnerung mitgenommen. Hier ist er«, erzählt Hormel und zeigt auf das Bauwerk in seinem Garten.
1980 begann Hormel bei einer Blankeneser Tischlerei. »Da hatte ich eine halbe Stelle, weil ich Zeit haben wollte, um Boote zu überführen«, erzählt er. »Für ein Bremer Charterunternehmen habe ich Boote im Winter ins Mittelmeer oder zu den kanarischen Inseln gebracht.« Besonders stolz ist Hormel auf seine Fähigkeit, mit Sextanten und Schiffschronometern umzugehen – vor den modernen Instrumenten war das Navigieren noch echte Handarbeit. »Auf offener See hat man manchmal das Gefühl, da käme kein Land mehr. Ich musste mich oft auf meine Navigationskünste verlassen können.«
Was Hormel auch versuchte, die Schifffahrt sollte ihn nie loslassen: »Vor zwanzig Jahren wollte ich aufhören mit dem Segeln. Aber dann habe ich meine Freundin kennengelernt, die unbedingt segeln wollte. Wir haben noch für Freunde gemeinsam Boote überführt und sind Regatten gefahren.«
»Für Thomas I. Punkt begann ich mit zwei Badewannen«
Neben Schiffen begeistert sich Hormel für den Möbelbau. Für Thomas Friese, den Gründer des Modegeschäfts »Thomas i« Punkt«, hatte er eine Yacht in Pflege. »Der kam zu mir und sagte: ‚Mensch, du baust doch. Ich hätte gern zwei hölzerne Badewannen.‘ Die fand er gut – ab dann habe ich für ihn viele Sachen gebaut, zum Beispiel Tische und Bänke. Der hat mich da einfach machen lassen.« Den Möbelbau empfand Hormel als Segen: »Ein Bootsbau dauert Monate, so ein Möbelstück ist in einer Woche fertig. Da kann man dann schneller etwas Neues beginnen.« Gleichzeitig möchte der Hamburger den Bootsbau nicht missen: »Ich kenne keinen Beruf, bei dem Kopf und Körper so ineinandergreifen müssen und gleichermaßen beansprucht werden.«
Glücklich in Groß Flottbek
Über seine Doppelhaushälfte beim BVE ist Hormel sehr glücklich: »Die habe ich gesehen und sofort genommen. Das ging innerhalb von wenigen Tagen.« Noch ist aber nicht alles fertig. »Die Terrasse muss noch abgeschlossen werden. Und ich habe ein tolles Holz bekommen, damit mache ich demnächst die Treppenstufen neu.«
Das Bauen und die See – Jens Hormels zwei große Leidenschaften werden ihn wohl nie mehr loslassen, sie gehören zu ihm wie die Hansestadt. Einmal, erzählt er, sei er an tropischen Inseln vorbeigefahren und war kurz davor, von Bord zu gehen und zu bleiben: »Das war das Paradies. Aber ich bin mit Hamburg verbunden. Ich bin immer wieder zurückgekommen.«