16. Juli 2025

“Wir nehmen nur so viel, wie wir benötigen“

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16. Juli 2025

Vorstandssprecher Michael Wulf über Wirtschaftlichkeit, Mietanpassungen, Investitionen und den genossenschaftlichen Auftrag des BVE

Viele Mitglieder des Bauverein der Elbgemeinden bekommen auch Post zu einer Anpassung ihres Nutzungsentgelts – umgangssprachlich: Miete. Warum?
Michael Wulf: Wir haben immer schon regelmäßig und durchgängig Mietanpassungen vorgenommen. Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich aber gerade in den vergangenen Jahren spürbar und sehr deutlich verändert. Unter anderem erheblich gestiegene Baukosten (für Instandhaltungen, Modernisierungen und Neubau), energetische Anforderungen auch durch den Hamburger Klimaplan, die CO₂-Bepreisung und der demographische Wandel fordern auch uns als Genossenschaft heraus.
Gleichzeitig wollen wir unseren Gebäudebestand erhalten, modernisieren und zukunftssicher gestalten, denn das ist unsere Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern - seit Generationen. 
Um dieser Verantwortung nachzukommen, investieren wir derzeit jährlich rund 35 Millionen Euro in unseren Bestand. Zusätzlich sind in den nächsten 20 Jahren weitere Investitionen bis zu 1 Milliarde Euro in Planung, um die anstehenden, sehr großen Modernisierungsvorhaben umzusetzen und auch bestandsergänzende Neubauten zu realisieren. Ohne regelmäßige Anpassungen der Nutzungsentgelte und eine Absicherung der Einnahmen lässt sich das nicht realisieren.  

Viele unserer Gebäude stammen aus älteren Baujahren und erfordern erhebliche Investitionen in den kommenden Jahren. Hinzukommend verwenden wir keinen geringen Anteil der Mieteinnahmen auch dafür, unsere Verbindlichkeiten regelmäßig und verlässlich zurückzuzahlen.

Was bedeutet das konkret für die Mitglieder?
Wir wissen, dass jede Mietanpassung eine Belastung darstellt. Deshalb gehen wir behutsam vor. Die große Mehrheit der Anpassungen liegt zwischen 10 und 30 Euro im Monat. In Einzelfällen kann es auch mehr sein, aber wir haben für uns derzeit nach einem intensivem Abstimmungsprozess eine weitere Deckelung von 50 Euro je Monat pro Erhöhung gesetzt. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass unsere Mitglieder wissen: Unsere durchschnittlichen Mieten liegen derzeit über den gesamten Bestand hinweg bei derzeit 7,49 Euro pro Quadratmeter. Der Mietenspiegel in Hamburg liegt im Durchschnitt aktuell bei 9,83 Euro. Wir sind damit deutlich unter dem Mittelwert des Hamburger Mietenspiegels und auch erheblich unter den am Markt geforderten Preisen. Das zeigt, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen. 

 

 

Bestand gesamt 

Baujahr 
1899-1969 

Baujahr 
1970-1999
 

Baujahr 
ab 2000
 

Nutzungsentgelt (EUR/m2) 
(Soll per 31.12.) 

7,49 

7,05 

6,88 

9,98 

 

Wir wirtschaften dauerhaft genossenschaftlich bedarfsorientiert nach dem Prinzip: Wir nehmen nur so viel, wie wir benötigen.

Wird der BVE auch künftig regelmäßig die Mieten erhöhen?
Ja, es gab und gibt laufend regelmäßige Mietanpassungen auf Grundlage unserer abgestimmten und langfristigen Wirtschaftspläne. Wir planen jedoch umsichtig und versuchen, größere Sprünge zu vermeiden. Unsere Entscheidungen werden sorgfältig abgewogen und beruhen auf der Basis langfristiger Kalkulationen.

Wie gehen wir mit dem Umstand um, dass nicht alle Wohnungen gleich betroffen sind? Neubauten müssen ja z. B. nicht energetisch saniert werden.
Das ist zunächst richtig. Neuere Gebäude sind in der Regel energetisch besser als unsere Bestände z. B. aus den 60er- bis 80er-Jahren. Aber als Genossenschaft vertreten wir ein solidarisches Prinzip: Die Kosten, die wir heute und zukünftig für Sanierungen und energetische Maßnahmen aufbringen müssen, betreffen letztlich die ganze Gemeinschaft. Deshalb ist es nicht sinnvoll – und auch nicht gerecht –, nur diejenigen „zur Kasse zu bitten“, deren Gebäude gerade modernisiert werden. Wir müssen die Lasten insgesamt auf den gesamten Bestand verteilen, und zwar sozialverträglich.  Wir sichern langfristig den Erhalt und die Qualität aller Wohnungen unserer Genossenschaft. Und es entspricht dem, wofür wir als Genossenschaft seit Generationen und für Generationen stehen: für Verantwortung und Gemeinschaft.

Wie unterscheiden sich die Mieten beim BVE überhaupt?
Unser Wohnungsbestand ist vielfältig. Wir haben rund 14.500 Wohnungen, die sich in unterschiedliche Mietmodelle gliedern. Über 3.000 Wohnungen sind öffentlich gefördert. Hier gelten besondere Regelungen, die Mietpreis und Erhöhungsmöglichkeiten aus der jeweiligen Förderung klar vorgeben. Unsere Neubauten ab dem Jahr 2000 folgen jeweils einer objektspezifischen Investitionsrechnung, die ebenfalls definiert, wie die Miete kalkuliert wird. Und der Großteil unserer Wohnungen ist frei finanziert. Dort setzen wir Mietanpassungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten um – aber stets mit der klaren Maßgabe, Belastungen zu begrenzen und unsere Grundsätze einzuhalten.

Früher war beim BVE oft von der sogenannten „Wohnwertmiete“ die Rede. Gibt es die noch?
Die Wohnwertmiete war ein Bestandteil unserer Mietstruktur. Wir konnten dieses Modell nicht mehr weiterführen. Ein Gerichtsurteil hat deutlich gemacht, dass wir bei Mieterhöhungen nicht mit unserer bisherigen Wohnwertmiete argumentieren dürfen, auch wenn wir uns deutlich unterhalb des Mietenspiegels bewegen.   

Da wir rechtskonform handeln und auch Mietanpassungen rechtskonform aussprechen, kann also kein gesondertes Mietenmodell (wie die ehemalige Wohnwertmiete) dahinter liegen. Dem mussten und haben wir Rechnung getragen.

Was hat sich seither verändert?
Auch ohne das frühere Wohnwertmieten-Modell halten wir an unseren genossenschaftlichen Prinzipien fest. Durch das Ablösen der ehemaligen Wohnwertmiete ist es zu keinen gesonderten oder höheren Mietsteigerungen gekommen.
Unsere Mietanpassungen erfolgen mit Maß, sie sind begrenzt und orientieren sich weiterhin an dem Ziel, durchschnittlich unter dem Mittelwert des Mietenspiegels zu bleiben. Die Mechanik hat sich verändert, aber das Ergebnis ist das gleiche geblieben: Unsere Mitglieder profitieren von Mieten, die vergleichsweise günstig sind – und das in einem Umfeld, das kontinuierlich teurer wird und in dem Mieten sehr deutlich über unseren liegen. Wir sind heute genauso wie sonst verpflichtet, fair und verantwortungsvoll zu agieren. Und das auch in einer Gesamtbetrachtung der Mieten inklusive der jeweiligen Betriebskosten.

Wie werden die Erhöhungen kommuniziert und beschlossen?
Mietanpassungen beim BVE sind das Ergebnis sorgfältiger Planungen und vielfältiger Abstimmungen. Wir erstellen einen mehrjährigen Wirtschaftsplan, der in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat zweimal jährlich beraten wird. Somit ist auch der Aufsichtsrat regelmäßig eingebunden. Ebenso berichten wir unterjährig mehrmals auch dem gesamten Aufsichtsrat die Entwicklung der jeweiligen Nutzungsentgelte und anstehenden Anpassungen in unseren gesamten Beständen. Dieses Verfahren ist nicht nur satzungsgemäß und genossenschaftlich demokratisch legitimiert und akzeptiert, sondern hat sich auch seit Jahrzehnten bewährt. Im Übrigen bewerten unsere Mitglieder nach unserer aktuellen Wohnzufriedenheitsanalyse den Punkt Miethöhe bzw. Preis-/Leistungsverhältnis mit einer sehr stabilen Note 2. Keine glatte 1 aber ein guter Wert.

Viele Mitglieder spüren aktuell steigende Lebenshaltungskosten und vielen Bereichen. Gibt es beim BVE konkrete Unterstützung, wenn jemand Schwierigkeiten hat, seine Miete zu zahlen?
Ja, selbstverständlich. Unser Ziel ist es, niemanden allein zu lassen. Und wenn einmal eine individuelle Lösung gefunden werden muss, dann tun wir auch unser Möglichstes, um zu helfen. Wer merkt, dass es finanziell eng wird, sollte sich bitte frühzeitig bei uns melden. Wir unterstützen, wo es geht – etwa mit Hinweisen auf Wohngeld oder durch die Vermittlung von Hilfsangeboten. Viele Mitglieder wissen gar nicht, dass sie Anspruch auf Unterstützung haben. Gerade z. B. mit dem neuen Wohngeld-Plus-Gesetz wurden die Möglichkeiten deutlich erweitert. 
Wir haben auch das Angebot eines Wohnungswechsels. So können z. B. Senioren beim Wechsel in eine kleinere Wohnung innerhalb des jeweiligen Quartiers ihre aktuelle Netto-Kaltmiete pro qm grundsätzlich „mitnehmen“. Auch so kann der monatliche finanzielle Aufwand fürs Wohnen erheblich reduziert werden. Ferner arbeiten wir weiter daran auch die Betriebskosten so zu optimieren, dass diese möglichst gering ausfallen. Das zahlt auch positiv auf die Mietbelastung insgesamt ein.

Wie bewerten Sie politische Forderungen nach einem generellen Mietenstopp, wie ihn manche Parteien diskutieren?
Ein dauerhafter Mietenstopp klingt auf den ersten Blick ggf. attraktiv, wäre aber auch für uns als Genossenschaft mit erheblichen und fatalen Folgen verbunden. Der BVE finanziert die erforderlichen Investitionen aus unseren Mieteinnahmen. Wenn wir über Jahre hinweg keine Anpassungen mehr vornehmen dürften, könnten wir notwendige Sanierungen und energetische Maßnahmen nicht mehr umsetzen. Das würde auf lange Sicht genau das gefährden, was wir eigentlich schützen wollen: bezahlbaren, modernen und sicheren Wohnraum für Generationen. Ein immer größer werdender Instandhaltungs- und Modernisierungsstau wäre eine desolate Folge. Deshalb setzen wir weiter auf eine ausgewogene, maßvolle genossenschaftliche Mietenpolitik – nicht auf Stillstand, sondern auf Verantwortung. Das haben wir für die Vergangenheit bewiesen und werden es weiter tun.

Was möchten Sie den Mitgliedern abschließend mit auf den Weg geben?
Ich kann gut nachvollziehen, dass Mietanpassungen Fragen aufwerfen – und manchmal auch Unmut oder Sorgen. Deshalb ist es uns wichtig, offen, ehrlich und transparent zu kommunizieren. So ist es bei uns üblich. Unsere Mitglieder sollen wissen, warum wir etwas tun, und worauf sie sich verlassen können. Beim BVE geht es um langfristige Sicherheit. Wir bauen und modernisieren für Generationen. Und wir bleiben dabei unserer Linie treu: wirtschaftlich verantwortlich, sozial gerecht und immer im Interesse unserer Mitglieder. Denn Genossenschaft bedeutet für uns nicht nur Wohnen – sondern Vertrauen, Gemeinschaft und Verlässlichkeit für alle Mitglieder.